#ShowyourResearch | Gudrun Pradier über Wortspiele

Unter dem Motto #ShowyourResearch stellen Promovierende ihre Themen vor und berichten über ihre Erfahrungen mit Wissenschaftskommunikation. Diese Interviews sind im Rahmen einer SchreibChallenge der Coachingzonen Wissenschaft im September 2021 entstanden.

#ShowyourResearch

Gudrun Pradier über Wortspiele

Vielen Dank, liebe Gudrun, dass du dir die Zeit nimmst, unsere Fragen kurz zu beantworten.

Magst du uns dein Forschungsthema kurz erläutern?

Im Alltag begegnen wir vielen Formen von Humor: Wir lachen über den Witz des Kindes, amüsieren uns über den spritzigen Dialog im YouTube-Video oder lachen über das gekonnt konstruierte Sprachspiel im Buch.

Dabei wissen wir natürlich, dass der Humor von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist. Der eine amüsiert sich mehr, der andere weniger und der dritte gar nicht, weil er den Sprachwitz nicht versteht oder gar nicht bemerkt hat.

Wenn aber Humor schon innerhalb einer Sprachgemeinschaft so individuell ist, wie sieht es im Kontakt zwischen zwei Kulturen, zwei Sprachen aus?

Nehmen wir beispielsweise ein Buch, das sicher viele kennen und in dem Sprachwitz gehäuft vorkommt: die Astérix-Comics aus Frankreich. Die meisten haben sie sicherlich in ihrer deutschen Übersetzung gelesen und an den witzigen Textstellen herzlich gelacht. Wer gut Französisch spricht, hat vielleicht sogar das französische Original gelesen. Aber, Hand aufs Herz, haben wir, die Leser, auch auf Französisch alle Sprachspiele verstanden?

Vielleicht ja, vielleicht nein, aber es liegt auf der Hand, dass, wenn es schon in der eigenen Sprache nicht immer einfach ist, ein Sprachspiel zu verstehen, dies umso schwieriger in einer fremden Sprache ist.

Warum ist das so?

Weil Sprachspiele in einem einzigen Wort zeigen können, wie komplex Sprache ist. Zum Beispiel, wenn trotz verrückter Silbenverdreher verstanden wird, worum es geht, wie der SWR3-Podcast „Tuten Gag!“ zeigt.

Weil in Sprachspielen die Mehrdeutigkeit der Sprache gezielt ausgenutzt wird, damit eine Textstelle auf mehreren Ebenen gleichzeitig gelesen werden kann. Zum Beispiel, wenn beide Bedeutungen eines „Teekesselchens“ wie Pony (1. Frisur, 2. Kleines Pferd) im Text mehr oder weniger sinnvoll miteinander kombiniert werden, wie folgender Witz zeigt: „Geht ein Cowboy zum Frisör. Kommt wieder raus -  Pony weg!“

Weil Sprachspiele ihren Witz auch aus außersprachlichen Quellen ziehen. Zum Beispiel durch Anspielungen auf Literatur, Kunst und Küche. Oder aus Parodien einer dritten Sprache und Kultur. Oder eben, wie im Astérix-Comic oder im Film, aus dem Einbezug der visuellen Ebene, wenn das Bild die zweite, versteckte, Bedeutung eines Wortes illustriert.

All dies sind nur einige der Herausforderungen, denen sich eine Person im Moment des Verstehens stellt, bevor sich die Spannung in Lachen auflöst. Und erst recht trifft der Übersetzer in seinem beruflichen Alltag im Moment des Übersetzens eines Sprachspiels auf diese Herausforderungen. Denn Sprachspiele sind stark in ihre eigene Sprache und Kultur gebunden. Das heißt, der Leser bzw. Übersetzer muss neben seinem individuellen Sinn für Humor auch die andere Sprache und Kultur sehr gut kennen und verstehen. Sonst bleibt das Ziel das Textautors, den Leser zum Schmunzeln zu bringen, aus.

Ein funktionierendes Sprachspiel setzt also viel sprachliches, kulturelles und soziales Wissen einer Gesellschaft und ihrer Kultur voraus. Wie kann man Sprachspiele nun in andere Sprachen vermitteln?  Wie kann man beispielsweise den Pony-Witz ins Englische übersetzen? Oder das Wortspiel mit einer französischen Redewendung, deren eine Bedeutung in der Bildsequenz eines Comic-Bildes dargestellt ist?

In vielen Fällen kann eine äquivalente Übersetzung von Sprachspielen tatsächlich gelingen. Aber vielfach ist die Qualität der Übersetzung der individuellen Kreativität und dem Allgemeinwissen des Übersetzers überlassen.

Ausgehend von dem Gedanken, dass eine genaue Analyse des Textes eine Hilfe bei der Übersetzung von Sprachspielen sein kann, möchte ich in meiner Doktorarbeit eine Methodenschablone für die Übersetzung von Sprachwitz in der Textsorte Comic entwickeln. Dies geschieht einerseits auf Basis von sprachwissenschaftlichen Theorien zu Sprachspielen und andererseits auf Basis der Ergebnisse der Analyse zahlreicher Beispiele für Sprachspiele. Diese werden aus dem für seine Sprachkomik so bekannten Astérix-Comics und seiner Übersetzungen ermittelt. Auf diese Weise ist neben der Analyse des komplexen französischen Textes auch ein Vergleich der Herangehensweise der Übersetzer möglich.

Das Ziel meiner Doktorarbeit ist es also, Sprachspiele auf sprachwissenschaftlicher Ebene zu beschreiben und Möglichkeiten und Grenzen ihrer Übersetzung aufzuzeigen. Hierbei soll die Methodenschablone eine Hilfestellung geben.

 

Wir würden gerne wissen, welche Relevanz der Austausch mit anderen Wissenschaftler:innen für den Fortschritt deiner Arbeit hat? Was hilft dir beim Schreiben deiner Dissertation?

Für mich als extern Promovierende neben Job und Familie ist der Austausch mit anderen Wissenschaftler:innen besonders wichtig. Oft fühle ich mich außen vor, weil ich in keinen universitär organisierten Promovierenden-Austausch eingebunden bin. Das heißt, ich stelle mich und mein Forschungsvorhaben häufig in Frage und erhalte kaum Informationen über andere Wissenschaftler:innen, die in meinem Fachbereich forschen. Daher habe ich mir privat mein Wissenschafts-Netzwerk aufgebaut, nehme an Wissenschaftscoachings und Schreibwochen teil, die dank Corona digital angeboten werden. Aber das Wichtigste für mich ist, dass ich in eine private Schreibgruppe mit anderen Promovierenden eingebunden bin, mit der ich immer im digitalen Raum schreiben kann. Was mir beim Schreiben hilft? Mit der Schreibgruppe verpflichte ich mich selbst, formuliere Aufgaben und Ziele, reflektiere das Geschaffte und Nicht-Geschaffte. Und vor allem: Jeder Einzelne bringt seine Kompetenzen mit ein, sodass wir uns gegenseitig sowohl bezüglich der Dissertation wie auch auf persönlicher Ebene (Stichwort: Self-Care) coachen. Dieser „Rahmen“ der Schreibgruppe gibt mir also einerseits Stabilität für die Arbeit an der Dissertation und andererseits erfahre ich durch sie von anderen Netzwerken und Coachings, die mich konkret in meinem Vorhaben weiterbringen.

 

Welche Herausforderungen siehst du speziell in deinem Fachbereich für die Kommunikation im nicht-akademischen Kontext?

Ich promoviere im Fachbereich Romanistik und habe die Erfahrung gemacht, dass ich bereits bei den allgemeinen Sprachkenntnissen vieler Personen an die Grenzen komme. Englisch versteht man noch, aber Französisch, Spanisch oder Italienisch? Schwierig. Ich muss also häufig im Übersetzermodus über meine Forschungsarbeit sprechen.

Dazu kommt, dass die Sprachwissenschaft, ebenso wie jeder andere Fachbereich ihre eigene Fachsprache hat. Einen Sachverhalt in allgemein verständlicher Sprache zu formulieren und meinen Kommunikationspartner zielgruppengerecht „abzuholen“ ist eine Herausforderung. Diese Fähigkeit wird meiner Meinung nach während des Studiums und während der Promotion zu wenig trainiert.

Ein weiterer Punkt ist, dass viele Menschen über Sprache nicht nachdenken, warum auch? Man muss sie im Alltag nur gebrauchen können. Aber genau das ist der Kern der Sprachwissenschaft: Über die Sprache an sich reflektieren und in der Romanistik sogar über eine fremde Sprache – da gestaltet sich die Kommunikation schnell als herausfordernd. Hier treffe ich immer mal wieder auf Personen, die sich fragen, welche Relevanz ein Fachbereich wie die romanische Sprachwissenschaft hat. Da erkläre ich gerne, welche kulturgebende Bedeutung Sprache hat und was man mit den Kenntnissen ÜBER sie alles machen und beeinflussen kann. Ich denke hier zum Beispiel an die Sprache der Politik (die letzten Wahlen!), Sprache im Netz oder ganz aktuell an die vielen neuen Ausdrücke, die aus der Notwendigkeit im Umgang mit der COVID19-Krise geschaffen wurden. Es ist sehr interessant, die sprachlichen Herangehensweisen verschiedener Länder an solche Problemfelder zu vergleichen.

Vielen lieben Dank, dass du uns einen Einblick in deine Arbeit gegeben hast.

Gudrun Pardier

Thema der Dissertation: Sprachspiel und Übersetzung. Eine kontrastive Studie am Beispiel von Astérix-Translaten

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Foto: privat Gudrun Pradier

Titelbild: by Priscilla Du Preez on Unsplash

veröffentlicht am: 7. Dezember 2021


Dr. Anna Kollenberg

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